Votum zum Postulat „Velosituation bei der Kettenbrücke“

Votum von Hannah Wey zum Postulat „Zur Velosituation bei der Kettenbrücke“ an der Einwohnerratssitzung vom 22. Januar 2024:

Der Stadtrat verteidigt in der Botschaft die neue Kettenbrücke mit den Worten: «Die Markierungen für Fussgehende und Velofahrende haben sich nicht verändert und sind, wie vor der Erneuerung der Kettenbrücke, gleichgeblieben.»

Doch ein Projekt wird halt nicht besser, wenn man die schlechte Planung vom alten System beibehält, während sich die Welt rundherum verändert hat.

Der Langsamverkehr war schon auf der alten Kettenbrücke nicht zufriedenstellend geregelt. Im Jahr 2014, als das Projekt vom Aarauer Stimmvolk angenommen wurde, gab es Gegenstimme wegen der schlechten Veloführung, welche eben leider nicht neu geplant wurde.

Fast 10 Jahre nach diesem Stimmentscheid überquere ich nun also die Kettenbrücke vom Norden her und überquere die Autofahrbahn im letzten Brückendrittel eher mit mulmigem Gefühl, weil direkt hinter mir ein „Drängler“ im Auto und der Bus fährt. Eine in Aarau wohnende Lehrperson hat mir vor ein paar Wochen denn auch verzweifelt geschrieben. Sie sei wirklich eine vorsichtige Velofahrerin. Aber eine unaufmerksame Autofahrerin habe ihr Handzeichen ignoriert, konnte nicht mehr bremsen, wich aus und hätte fast eine Frontalkollision auf der Gegenfahrbahn verursacht.

Die Lehrperson fragt mich was mit den Schülerinnen und Schülern ist, welche die Verkehrssituation noch nicht so gut einschätzen können wie Erwachsene. Sie schreibt dazu am Ende der Mail: «Muss nochmals eine Kind sterben, damit Sie endlich Verantwortung übernehmen und die Verkehrssituation für alle Verkehrsbeteiligten entschärfen?»

Dieser berechtigen Sorge möchte ich anfügen, dass zu Zeiten der alten Kettenbrücke die Quartiere im Norden der Aare noch nicht in dem Masse überbaut waren wie heute. Es überqueren damit heute deutlich mehr Kinder und Jugendliche mehrmals täglich auf dem Schulweg oder in ihrer Freizeit die Brücke. Höchst wahrscheinlich ist auch die Anzahl Autos höher als 1949 – dem Einweihungsjahr der alten Kettenbrücke. Schon nur deswegen ist das gesamte Unfallrisiko höher. Meine Beobachtungen vor Ort zeigen denn auch: Die Jugendlichen überqueren die Brücke in ziemlich wilder Manier auf der Autofahrbahn. Das Trottoir, auf welchem man theoretisch fahren dürfte, brauchen sie aber nicht. Vielleicht haben sie das kleine Schild dazu am Brückenende nicht gesehen, oder sie haben schlechte Erfahrungen mit dem Teilen mit Fussgängerinnen und Fussgänger gemacht. Das ist auch nicht verwunderlich. Denn mit der heutigen theoretischen Verkehrsführung wird das Problem zwischen Velos und Autos einfach weitergegeben an Velos und Fussgänger*innen.

Ein Mischverkehr ist einfach wirklich keine gute Lösung!

Ich starte einen weiteren Versuch indem ich auf der Velospur von der Telli her in die Stadt einzubiegen. Doch mitten auf der Rampe ist der zeichnete Veloweg plötzlich fertig. In meiner Verwirrung steige ich ab und beobachte wiederum die anderen Velos. Das Ziel des Spieles scheint zu sein, wer beim Versuch abzubiegen am meisten ausgezogene Linien aufs Mal überfahren kann. Nach zwei Minuten Überlegen glaube ich, die Bürotisch-Idee fürs Abbiegen gefunden zu haben. Sicher bin ich ehrlich gesagt bis heute nicht. Intuitiv ist diese Lösung sicher nicht, deshalb braucht es hier dringend Bodenmarkierungen an mehreren Stellen.

Ich danke der Stadtverwaltung für die bisherigen Bemühungen die Situation zu verbessern, insbesondere die Gespräche mit dem Busbetrieb. Die Grünen werden dieser Vorlage einstimmig zustimmen. Für eine grundlegend moderne Veloplanung auf der Kettenbrücke ist es zu spät, ziehen wir unsere Lehren daraus für zukünftige Projekte. Noch nicht zu spät ist es, mit ein paar dutzend grossen Farbkübeln und kleineren baulichen Anpassungen eine möglichst grosse Verbesserung zu erzielen. Ebenfalls nicht zu spät ist es für kontinuierliche Aufklärungsarbeit beim Busbetrieb und auch an den Schulen. Damit wir sämtliche Schreckensmomente und Unfälle auf dieser Brücke verhindern können. Besten Dank für die Unterstützung.

Hannah Wey

Einwohnerrätin, Vorstand
Hannah ist Umweltingenieurin und hat sich auf die Themen Grundwasser, Luftqualität und Landwirtschaft spezialisiert. In ihrer Freizeit spielt sie gerne Oboe und Saxophon oder geht in den Alpen wandern.